Tirols Tourismusbetriebe stehen vor einer entscheidenden Frage: Wer führt sie in die Zukunft?
Viele potenzielle Nachfolger:innen zögern, ein Familienunternehmen zu übernehmen. Die Gründe reichen von wirtschaftlicher Unsicherheit bis zu einer fehlenden Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Das Forschungsprojekt „Why Not?“ untersucht, welche Faktoren die Entscheidung beeinflussen – und welche innovativen Nachfolgeformen neue Chancen für die Zukunft des Tourismus eröffnen könnten.

Hintergrund der Forschung

„In der österreichischen Tourismus- und Freizeitwirtschaft sind familiengeführte Unternehmen ein entscheidender Wirtschaftsfaktor.“ (Plaikner et al. 2022, S.200) Gerade in Tirol sind viele alpine Tourismusbetriebe kleine und mittlere Unternehmen, die seit Generationen in Familienhand sind (Gavac et al. 2020). Doch in den kommenden zehn Jahren steht eine hohe Zahl an Betriebsübergaben bevor – vor allem in den familiengeführten Beherbergungsbetrieben.

Während viele Übergeber:innen dringend Nachfolger:innen suchen, zögern potenzielle Erb:innen oder Nachfolger:innen oft, die Verantwortung zu übernehmen.
Die Ursachen sind vielfältig: komplexe finanzielle Rahmenbedingungen, hohe Investitionsrisiken, ein starker persönlicher Einsatz und fehlende Flexibilität bei Arbeitszeit und Lebensgestaltung.

Gleichzeitig zeigt sich: Eine frühzeitige und offene Kommunikation zwischen den Generationen über Ziele, Werte und Zukunftsvisionen ist entscheidend. Wird diese Phase der Übergabe nicht ernst genommen oder zu spät eingeleitet, droht die Nachfolge zu scheitern.

Zentrale Fragestellungen

Bei der Forschung wird vier zentralen Fragen nachgegangen:

  • Warum übernehmen Nachfolger:innen die Beherbergungsbetriebe ihrer Eltern oder anderer Familien nicht?

  • Unter welchen Voraussetzungen wären sie bereit, diese Betriebe doch zu übernehmen?

  • Welche Nachfolgemodelle können helfen, familiengeführte Betriebe langfristig attraktiv zu halten?

  • Und welche neuen Geschäftsmodelle – auch aus anderen Branchen – könnten Beherbergungsbetriebe für kommende Generationen wieder interessanter machen?

Ziel des Projekts ist es, konkrete Handlungsoptionen zu identifizieren, die Betrieben und Familien helfen, den Übergabeprozess erfolgreich zu gestalten und die Zukunftsfähigkeit der Tourismuswirtschaft zu sichern.

Projektinfos

Ziel des Projekts

  • Szenarien für Beherbergungsbetriebe (Hotels, Pensionen, Chalets, Campingplätze, etc.) und Interessensvertreter:innen bereit stellen zu können, welche als Unterstützung bei der Übergabe bieten sollen und neue Formen der Übergabe aufzeigen.
  • Es sollen Präsentationsunterlagen für Diskussionsforen und Workshops erstellt werden, um die Übergabe aktiv zu stimulieren.
  • Außerdem sollen Unterlagen für Gründerservices und diverse Förderstellen skizziert werden, die diese als Unterstützung für die Beratung heranziehen können.
  • Evaluierung moderner Nachfolgemodelle oder neue attraktive Businessmodelle, welche sich eventuell aus anderen Branchen übertragen lassen.
Projektablauf

Arbeitsschritte

  1. Sekundärdatenanalyse, um den „Nicht Nachfolgewille“ aus Perspektive der nachfolgenden Generationen zu analysieren.
  2. Situationsanalyse in Form eines online Fragebogens, welcher an Übergeber:innen und potentielle Übernehmer:innen eines Beherbergungsbetriebs übermittelt wird, um den Status Quo zu erheben.
  3. Vertiefende qualitative Interviews bzw. Fokusgruppen mit den (noch nicht oder nicht übernahmewilligen) Nachfolger:innen, um die Gründe der Nichtübernahme zu erheben und zu diskutieren.
  4. Diskussion der Ergebnisse in Form eines World Cafes oder eines Fish Bowls mit Vertreter:innen der Beherbergungsbranche zur vertiefenden Analyse.
  5. Conclusio: Ableitung von Übernahmeszenarien mit evtl. neuen Businessmodellen für verschiedene Tiroler Beherbergungsformen und –betriebe.

Ergebnisse aus dem Projekt

  • Familienunternehmen handeln langfristig und wertebasiert. Emotionale Bindungen zum Unternehmen und zur Region prägen Entscheidungsprozesse und erschweren häufig die Trennung vom aufgebauten Unternehmen.
  • Persönliche Beziehungen schaffen Vertrauen, können aber bei Übergaben zu Konflikten führen. Bspw. durch Rollenvermischung, Geschwisterrivalitäten oder generationsbedingte Spannungen.
  • Selbstverwirklichung, Work-Life-Balance und Unabhängigkeit stehen teils im Widerspruch zur dauerhaften Unternehmensbindung. Viele Nachfolger:innen zögern trotz familiärer Prägung.
  • Bürokratie, steuerliche Belastungen, hohe Investitionskosten und veraltete Infrastruktur machen die Nachfolge unattraktiv, besonders ohne klaren Zukunftsplan oder finanzielle Unterstützung.
  • Die Tourismusbranche steht unter Druck: Es fehlen Fachkräfte, während Gäste mehr Flexibilität, Qualität und Nachhaltigkeit erwarten.
  • COVID-19 und klimatische Veränderungen zwingen Unternehmen zur Transformation. Ganzjährige Angebote, nachhaltiges Wirtschaften und resiliente Geschäftsmodelle sind an dieser Stelle erwähnenswert.
  • Eine unklare Aufgabenverteilung, mangelnde Anerkennung der neuen Führung oder zu spätes Loslassen durch die Übergeber:innen gefährden eine reibungslose Übergabe.
  • Offene Gespräche, strukturierte Prozesse und eine frühzeitige Einbindung der Nachfolger:innen stärken das gegenseitige Vertrauen und bereiten die Basis für eine stabile und erfolgreiche Übergabe.
  • Coaches, Berater:innen und Jurist:innen helfen, Konflikte zu lösen, rechtliche Sicherheit zu schaffen und den Übergabeprozess neutral zu moderieren.
  • Peer-Learning, Nachfolgeprogramme und gezielte Förderung junger Unternehmer:innen bieten Orientierung und Begleitung. Diese müssen jedoch breiter zugänglich und bekannter gemacht werden.

Art der Übergabe (KMU Forschung Austria, 2022) von n=572: 24 % Schenkung, 22 % Verkauf, 19 % Vererbung, 35 % Übergabe noch offen

Der Endbericht zum Projekt kann unter diesem Link eingesehen werden!

Bedeutung für die Praxis

Die Ergebnisse des Projekts liefern wertvolle Impulse für Unternehmer:innen, Nachfolger:innen und Entscheidungsträger:innen in Politik und Wirtschaft.
Sie zeigen, dass klassische Nachfolgemodelle zunehmend an ihre Grenzen stoßen – und dass neue Formen von Verantwortung, Eigentum und Führung gefragt sind.

Flexible Beteiligungsmodelle, kooperative Übergaben oder externe Managementlösungen könnten Wege sein, um Betriebe zu erhalten und gleichzeitig den Bedürfnissen der jungen Generation gerecht zu werden.

Mediale Sichtbarkeit

Artikel vom 23.11.2025 – Bernadette  Bayrhammer – „Die Wirtshäuser, die zusperren, erkennt man sofort“ in die Presse am Sonntag – den ganzen Artikel zum nachlesen finden Sie hier.
Projektdetails

Fördergeber

Tiroler Tourismusforschungszentrum

Team

KMU & Tourismus – Universität Innsbruck
Alexander Plaikner
Johanna Sparber
Claudia Rauch
Barbara Weiskopf
Katharina Weiskopf

UMIT Tirol
Marco Haid

FH Vorarlberg
Magdalena Klauser